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Logistik
geren Einstandspreisen. Während es bei Sole Sourcing
Professor Dr. Michael Schröder (*1970) nur einen Lieferanten gibt, ist Single Sourcing die be-
lehrt seit 2009 an der Dualen Hochschu- wusste (!) Entscheidung für nur einen Lieferanten, eine
le Baden-Württemberg (DHBW) Mann- Entscheidung, die bei Lieferengpässen Tausende von
heim und ist Wissenschaftlicher Leiter des dualen Unternehmen in existenzielle Nöte führt(e). Denn den
Masterprogramms „Supply Chain Management, Economies im Einkauf stehen nun mal Opportunitäts-
Logistics, Production“. Gelernter Industriekaufmann kosten der entgangenen Umsätze (im Handel) respek-
(Stammhauslehre) bei Siemens, Studium und Pro- tive der nicht mehr oder erst später möglichen Produk-
motion an der Universität Mannheim, danach fünf tion (in der Industrie) gegenüber, die man ex ante hätte
Jahre Berater bei TIM CONSULT, Mannheim, im Be- – kaufmännisch korrekt – gegenrechnen müssen. In ei-
reich Business Logistics. Professor Schröder ist Mit- ner heilen Lieferkette wurde das eben über Jahre nicht
glied mehrerer Beiräte, war Mitgründer des Logis- oder nicht konsequent getan.
tik-Netzwerkes Baden-Württemberg (LogBW) und
war zwölf Jahre Regionalgruppensprecher Rhein/ Dabei ist Risikostreuung durch Diversifikation eine
Neckar der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Als Überlegung, die von Aktien, über das Produktangebot
Autor, Referent und Moderator beleuchtet er im- der Unternehmung bis hin zur Auswahl von Transport-
mer wieder aktuelle Veränderungen entlang der dienstleistern für das Management obligatorisch sein
Wertschöpfungskette und stellt sich insbesondere sollte. Was den Einkauf betrifft, so ist davon auszugehen,
der den Wirtschaftsstandort Deutschland gefähr- dass der Rückgriff auf mehrere Lieferanten – bekannt als
denden Kritik an betrieblichen Standortentschei- Multiple Sourcing – das Single Sourcing ablösen wird.
dungen. Seit 2022 ist er Gastgeber der „DHBW Late Mit einer Kombination aus asiatischen Lieferanten mit
Night“ auf YouTube. günstigen Einstandspreisen und europäischen Liefe-
ranten mit höheren Einstandspreisen lassen sich Preise
und Versorgungssicherheit in ein gesundes Verhältnis
bringen.
Im Ergebnis wird damit Mengensicherung, Lieferanten-
kontrolle und die Chance auf einen Ausweichplan rea-
lisiert.
Rezept 2
Vorratsbeschaffung statt Just-in-time
Bestandssicherheit – als vierten Punkt – kann es nur
geben, wenn die bestandslose Versorgung aufgegeben
oder zumindest zurückgefahren und es eine Rückkehr
zur Vorratsbeschaffung geben wird. Der mit Jit einher-
gehende Wegfall der Flächen- und Kapitalbindungskos-
ten war über 50 Jahre zu verlockend, um die Risiken des
Lieferabrisses ehrlich zu quantifizieren. Es hat letztlich
(fast immer) funktioniert. Auch hier müssen jedoch den
Ersparnissen durch Jit die Opportunitätskosten des Pro-
duktionsausfalls gegenübergestellt werden – eine Lekti-
on, die erst in Zeiten von Covid gelernt wurde.
Es ist daher nun zu erwarten, dass es global (!) eine
Rückbesinnung auf und einen Aufbau von Beständen
geben wird, was sich in einer höheren Nachfrage nach
Lagerflächen im Allgemeinen respektive nach Paletten-
stellplätzen im Speziellen ausdrücken wird. Schon jetzt
sind viele Lageristen überbelegt, ein Anstieg der Lager-
preise wird die unmittelbare Folge sein. Logistikimmobi-
lienentwickler sollten Bestandsimmobilien – zumindest
in den Logistikregionen – problemlos vermarkten kön-
nen; Neubauten in der Planung jedoch werden in vielen
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