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Logistik | Special Bahn
„Es gibt keine Nachhaltigkeit
ohne Gleisanschluss“
Vom Lagereibetrieb zum Logistikdienstleister: So lässt Die Bahnbegeisterung bei Fichtl schlägt sich in der
sich die Historie der Firma Fichtl in einem Satz zusam- Kundschaft nieder. „Wir arbeiten für eine Reihe von
menfassen. Der entscheidende Wendepunkt in der Industrieunternehmen, die auf nachhaltige Verkehre
Unternehmensentwicklung liegt im Jahr 1979. Damals und auf die Kosten im Transport achten“, betont Zoppa.
erfolgte am Standort Saal an der Donau der Einstieg „Denn die Bahn hat ihre Stärken im Wettbewerb mit
ins Logistikgeschäft. Von Anfang an wurde das neue dem Lkw, zumindest im Ganzzug- und Langstreckenver-
Fichtl-Betriebsgelände für Bahnlogistik ausgelegt. Bei kehr.“ Bedauerlich sei hingegen die Tatsache, dass der
einem reinen Gleisanschluss ließ man es aber nicht be- Speditionsmittelstand nicht mehr auf die Bahn setze.
wenden. Fichtl errichtete ein komplettes Containerter- „Das liegt aber zum Teil einfach daran, dass die Gleis-
minal und verfügt heute über 140.000 m² Logistikfläche anschlüsse fehlen und eine leistungsfähige Bahninfra-
(mit Außenlagern), 1,3 Kilometer Gleise (davon 340 Me- struktur in vielen Regionen einfach nicht vorhanden ist.
ter überdacht) und 30 eigene Lkw. Am Standort Saal/ Daher besteht leider vielfach kein Interesse bei den Spe-
Donau arbeiten 150 Mitarbeiter für Kunden, die über- ditionskollegen, auf Bahnlogistik zu setzen.“
wiegend aus der Industrie kommen.
Dabei ist Alexander Zoppa fest davon überzeugt, dass es
„Die Überlegung, von Anfang an auf die Bahn zu setzen, ohne die Güterbahnen keine Nachhaltigkeit in der Lo-
haben wir einem Kunden aus der chemischen Industrie gistik geben kann. „Eine Immobilie ohne Gleisanschluss
zu verdanken“, erinnert sich Alexander Zoppa, Prokurist ist weniger nachhaltig als eine Immobilie, die irgendwo
der Fichtl Logistik-Services GmbH. „Wir entsorgen seit auf der grünen Wiese neben einer Autobahn entsteht.
über 40 Jahren per Bahn ein Werk für Viskosefasern in Es entstehen immer noch viel zu viele große Logistik-
Kelheim. Auf einer eigenen Bahnstrecke kommen die flächen, bei denen von Anfang an das Thema Gleisan-
gepressten Ballen per Ganzzug bei uns in Saal an. Von schluss überhaupt keine Rolle gespielt hat. Daran wird
hier werden sie per LKW verteilt.“, erklärt Alexander sich wohl auch in absehbarer Zeit nichts ändern, wenn
Zoppa. nicht von politischer Seite Druck ausgeübt wird.“
Der Fichtl-Prokurist ist ein überzeugter Bahnkunde. „Wir Wie dieser Druck aussehen könnte, sei vollkommen klar.
unterhalten Bahnverkehre in Deutschland, Österreich „Der Lkw muss teurer und die Bahn gleichzeitig preis-
und Tschechien. Rund 180.000 Tonnen Güter gehen bei werter gemacht werden.“ Denn die Bahn sei gegenüber
uns jährlich per Zug ein.“ Dabei handelt es sich neben dem Lkw im Nachteil, so Alexander Zoppa. „Der Lkw
den erwähnten Faserballen vor allem um Braunkohle ist schlicht zu billig. Die hohen Infrastrukturkosten der
aus dem rheinischen Revier und Zellstoffe. „Die Waren Bahn stehen in vielen Fällen einem fairen Preisvergleich
kommen sowohl per Ganzzug als auch in Waggongrup- und einem ebenfalls fairen Wettbewerb eindeutig im
pen oder Einzelwagen bei uns an. Ausgangsverkehre per Weg.“
Bahn haben wir leider nicht.“
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