Page 6 - LogReal.Direkt_Ausgabe-3.2024
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Logistikimmobilien
Der graue Markt der Lagerlogistik:
im Dilemma gefangen
Von Roger Heidmann
Wenn der Geschäftsführer eines Logistikdienstleister sagt
„Okay, wir könnten die Waren in unseren 60.000 m² etwas
zusammenschieben und 10.000 m² untervermieten“, dann be-
schreibt er den grauen Markt der Lagerlogistik. Die Vertriebs-
leiterin des Wettbewerbers sagt dazu: „Für uns ist es neu, dass
wir unseren Leerstand offensiver und öffentlich vermarkten:
Für 160.000 m² von 1.000.000 m² Hallenfläche, die wir bun-
desweit bewirtschaften, suchen wir derzeit Konzepte zur Nach-
oder Zwischennutzung.“
Sind das Einzelfälle? „Nein“, sagt ein Makler, „wir schät-
zen die Dunkelziffer allein im Nordwesten auf zehn Prozent.
Allerdings kommen wir an die nicht ran“, ergänzt er. Als grauer
Markt werden gemeinhin Formen des Direktvertriebs gesehen,
die den institutionellen Handel umgehen, so dass entsprechen-
de Handelsspannen entfallen. Aber das ist nicht alles.
Am Telefon sagte der Kunde noch, sein Lager sei überfüllt
und er wolle weitere Flächen anmieten. Er bekam aber keine.
Das Unternehmen verkauft online Holzplatten und -produkte.
Der Bestand hatte sich in zwei Jahren nahezu verdoppelt. Die
Roger Heidmann
Gründe waren Lieferengpässe aufgrund der bekannten Krisen,
Roger Heidmann ist Geschäftsführer der LSA Logistik-Ser- aber auch die gezielte Bevorratung bestimmter Produkte. Mit der
vice-Agentur GmbH. Sein erstes Lager hat er 1990 geplant. höheren Verfügbarkeit und kurzen Lieferzeiten erzielt er Wettbe-
Später als Betriebsleiter musste er das umsetzen, was er vorher werbsvorteile. Er gab die Bestandsaufnahme in Auftrag.
geplant hat. Seitdem hat Roger Heidmann viele Situationen Vor Ort am Lager zeigten sich zwar nicht so viele Artikel,
mit Logistikstandorten und -immobilien erlebt: Von der ersten nur 420. Aber die hatten es in sich. 260 unterschiedliche Ver-
Idee bis zur ersten Inventur, vom Leerstand bis zum Stillstand, packungseinheiten besaßen mehr als 50 ungleiche Längen und
vom Standard bis zum scheinbar Unvorhersehbaren. Breiten. Kein Maß passte in den Standard der Europalette, auf das
Roger Heidmann arbeitet mit Unternehmen, Verbänden die Regale ausgelegt waren. Am Ende der Multimomentaufnah-
sowie politischen und öffentlichen Institutionen, die schnell me konnte dem Kunden aber gezeigt werden, wie er 20 Prozent
Strategien und Lösungen benötigen, wenn es darum geht, Lie- Raum- und Fläche in der Bestandsimmobilie gewinnt und bei
ferketten zu entstören, unterbrochene Transportwege zu über- gleichem Bestand die Produktivität erhöht.
brücken, leerstehende Standorte zu beleben oder drohenden Natürlich werden 20 Prozent nicht in jedem Lager gewon-
Stillstand abzuwehren. nen. Aber auch in Produktionshallen zeigen die Flächenbilanzen
Roger Heidmann ist zudem Vorsitzender der Kommissi- oft, dass bis zu 60 Prozent der Flächen für Logistikaufgaben und
on Logistik & Mobilität des Bundesverband mittelständische nicht fürs Kerngeschäft genutzt werden.
Wirtschaft (BVMW), zugelassener Berater beim Bundesamt „Nehmen wir Automotiv mal heraus“, sagt ein Geschäfts-
für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA-ID 163077) und partner, „dann kann man davon ausgehen, dass bis zu 50 Prozent
zertifizierter Berater beim Bundesverband mittelständische der Unternehmen in ihren Hallen Geld und Fläche verlieren.
Wirtschaft (BVMW). Wenn man schon einige Zeit mit einem Standort arbeitet, dann
weiß man, welchen Umsatz man mit jedem Quadratmeter macht.
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