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Nachhaltigkeit
Scheitert
der
Photovoltaik-
Ausbau
an der
Bürokratie?
Von Raoul Malong, Associate Director,
Technical Development, SEGRO
Keine Frage: Die Anzahl an nachhaltigen Logistikimmo- Das weitaus komplexere Problem besteht jedoch in der
bilien hat zuletzt stark zugenommen, und was vor fünf Bürokratie, die sich vor beziehungsweise hinter dem
Jahren zum absoluten Ausnahmefall gehörte, etab- Transformator abspielen kann. Die Ausgangssituation
liert sich immer stärker als „grüner“ Gebäudestandard. kann organisatorisch vor allem dadurch erschwert wer-
Bei der Installation von Photovoltaikanlagen auf den den, dass eine Photovoltaikanlage in aller Regel keine
Dachflächen ist das nicht anders. Doch obwohl bei der Vollversorgung übernimmt. Sie produziert in der Nacht
Energiewende ein allgemeiner Konsens besteht, für keine oder bei schlechten Witterungsbedingungen nicht
den Mieter eine nachhaltige und kostengünstigere Al- genügend Strommengen, weshalb Reststrom zugekauft
ternative zur konventionellen Stromerzeugung auf fos- werden muss. In der Praxis ist es jedoch in neun von
siler Basis geschaffen werden kann und entsprechende zehn Fällen so, dass die jeweiligen Mieter ein besseres
Projekte zudem bei Kommunen und Anwohnern sehr Angebot für diese extern zugekauften Strommengen er-
beliebt sind, werden viele Dachflächen nach wie vor halten als die Vermieter, die trotz Mischkalkulation aus
nur teilweise mit Photovoltaikpaneelen versehen. Hun- gewonnenem PV-Strom und notwendigem Reststrom
derttausende Quadratmeter Hallendachfläche bleiben aus dem Netz dann einen höheren Preis weitergeben
somit ungenutzt, weshalb das Potenzial von teilweise müssten (auch im Vergleich gegenüber der Variante,
mehr als zehn Megawatt Peak (MWp) für große Projekte dass der Mieter den Gesamtstrom zentral einkauft). In
oft nicht ausgeschöpft wird und die Anlagen eher klein Zeiten eines hohen Kostendrucks und geringer Margen
dimensioniert sind. bei den Mietern kommt es jedoch unbedingt darauf an,
dass der auf dem Dach erzeugte Photovoltaikstrom plus
Eine solche großflächige Photovoltaikanlage zu instal- die externen Zukäufe unterm Strich günstiger sind als
lieren, braucht natürlich eine umfangreiche und voraus- eine klassische Versorgung aus dem Stromnetz.
schauende Planung – allein schon aufgrund der hohen
Regulierungsdichte. Dementsprechend müssen früh- Die umgekehrte Variante, also eine Volleinspeisung des
zeitig externe Fachingenieure und andere Fachbetriebe Stroms ins lokale Netz, hätte jedoch zur Folge, dass der
hinzugezogen werden, sowohl zur Ermittlung der best- lokal erzeugte Strom nicht bei den Mietern ankommt.
möglichen Ausrichtung und Montage als auch für alle Das jedoch ist unbedingt nötig, damit das Alleinstel-
nötigen Zertifizierungsprozesse. Zumal aufgrund der lungsmerkmal gegeben ist, dass die Immobilie direkt
vollen Auftragsbücher der Fachbetriebe es in aller Regel dazu beiträgt, dass die Mieter ihre eigenen Klimaziele
ein Jahr oder sogar länger dauert, bis eine geplante An- (beziehungsweise die eigene Netto-Null) umsetzen
lage tatsächlich in Betrieb genommen werden kann. können.
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