Page 8 - LogReal.Direkt_Ausgabe-1.2023
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Logistikimmobilien
schluss, bürokratische Hürden, etc.) scheint die Zielerrei-
Phase 3: Energiegewinnung & Klimaschutz
chung zur Sisyphusaufgabe zu werden, wenn die großen
Menge an Privathaushalten mit Photovoltaik-Anlagen
Aktuell befinden wir uns in einer neuen Phase aus kommu- ausgestattet und an das Netz genommen werden muss.
naler Sicht. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine Eine naheliegende Lösung für Kommunen ist da-
und der damit verbundene Importstopp von russischem her, diejenigen energetisch zu ertüchtigen, die die größten
Gas hat die Energiewende Deutschlands notgedrungen gewerblichen Flächen in der Kommune bewirtschaften.
deutlich beschleunigt. Vizekanzler und Wirtschaftsmi- Zumindest könnte so ein Vielfaches an bürokratischen
nister Habeck formulierte diesbezüglich den einzuschla- Einzelvorgängen vermieden werden.
genden Weg: „Wir müssen weg von fossilen Energieträ- Mit Blick in die Zukunft bieten sich somit für An-
gern und weg von der Abhängigkeit und Erpressbarkeit bieter oder Betreiber von Logistikimmobilien ganz neue
von russischen Importen. … Nur mit mehr erneuerbaren Ansätze und Chancen. Künftig könnten kleine kommu-
Energien und mehr Energieeffizienz werden wir unse- nale Kraftwerke entstehen, die sowohl Solarenergie als
re Unabhängigkeit stärken. … Das heißt aber auch: weg auch Energie durch Windkraft (oder andere Alternati-
vom Intensiv-Verbrauch, hin zu Energieeinsparung und ven) erzeugen. Neben den Flächen auf dem Gebäudedach
Energieeffizienz.“ Das Ziel ist, dass Deutschland bis 2030 könnten z.B. auch alle Parkplätze überdacht und mit So-
80 Prozent (in sieben Jahren!) seines Strombedarfs aus er- laranlagen ausgestattet werden. Diese Gebäude wären ein
neuerbaren Energien decken soll. Diese Herausforderung wichtiges Puzzlestück zur Erreichung der kommunalen
sollen „alle“ zusammen lösen, also neben Privathaushalten Energieziele. Die Nutzung der Energieimmobilie könnte
und Unternehmen auch die Kommunen. dann durchaus auch Logistik sein.
Die noch fehlenden regenerativen Energieressour-
Die Entwickler und Betreiber eines solchen Kraft-
cen sind dementsprechend flächendeckend über das ge- werks wären die gleichen, die heute reine Logistikimmo-
samte Land zu verteilen. Folglich müssen die Kommunen bilien errichten. Da zukünftig auch die ESG-Kriterien im-
künftig viel stärker in das Thema eingebunden werden. mer anspruchsvoller werden, ist die Doppelnutzung einer
Die Hälfte aller Logistikimmobilien befinden sich
vermutlich im dezentralen Raum, also auf dem Gebiet solcher Immobilie nur konsequent, denn selbst im Falle ei-
nes Leerstands bleibt immer noch die Energiegewinnung
kleiner bis mittlerer Kommunen. Mit baulichen Fragen als Risikoabdeckung – insbesondere für die Kommune.
sind diese besonderes häufig hoffnungslos überlastet, so-
wohl personell als auch hinsichtlich des notwendigen
Know-hows. Unter aktuellen Bedingungen (z.B. Netzan- Fazit
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Logistikimmobilie
sowie deren Entwickler hohe Adaptionsfähigkeiten auf-
weisen und sich durchaus an externe Einflüsse sowie neue
Herausforderungen anpassen können. Dennoch muss
man konstatieren, vermutlich auch dem jungen Alter der
Assetklasse geschuldet, dass die Mehrheit der bisher ent-
standenen Logistikimmobilien bis heute weder auffallend
innovativ gebaut noch anspruchsvoll gestaltet wurden.
Der Logistikimmobilie fehlte es bis heute vor allem aus
kommunaler Sicht an positiven Alleinstellungsmerkma-
len und somit an guten Argumenten beim Ansiedlungs-
prozess. Doch im Wettbewerb unter den Assetklassen
könnte die Logistikimmobilie in Zukunft zumindest
durch den Zweitnutzen als Kraftwerk in Sachen Energie
die Nase vorn haben. Dieser Beitrag ist
auch online verfüg-
bar auf der Home-
page der Initiative
Logistikimmobilien
(Logix)
Prof. Dr. Alexander Nehm,
Logistikprofessor an der
Dualen Hochschule
Baden-Württemberg
(DHBW) in Mannheim
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