Page 3 - LogReal.Direkt_Ausgabe-4.2024
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Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
die Geschichte der deutschen Werften ist seit mehr als 40 Jahren eine ziemlich ge-
mischte Tüte. Ja, es gibt sie Gott sei Dank noch, die Hamburger Großwerft Blohm &
Voss. Aus aktuellem Anlass soll hier jedoch erinnert werden an die großen Werftschlie-
ßungen seit den 80er Jahren: Die A.G. Weser aus Bremen stellte 1983 den Betrieb ein.
Werft. Es gibt zwar noch einige Spezialwerften in Deutschlands kleinstem Bundesland, Zeit für
Eine weitere Schließung in der Hansestadt erfolgte 1997 mit dem Ende der Vulkan
aber das große Geschäft ist Geschichte.
Auch der einst stolze Werftenstandort Bremerhaven verlor in den 70er und 80er REALtalk –
Jahren eine Reihe kleiner Schiffbaubetriebe. Geblieben ist dort u.a. die Lloyd Werft,
die zuletzt durch den 25-prozentigen Einstieg der Bremer Lürssen-Gruppe am Leben
erhalten wird. LIST packt’s an.
Die traditionsreiche Neptun Werft in Rostock verlor ihre Eigenständigkeit. Sie
gehört seit 1997 zur Meyer-Neptun-Gruppe. Extrem wechselhaft verlief die Geschich-
te der Warnow Werft in Warnemünde. Sie fiel zuletzt 2022 an die Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben und wird von dieser an die Bundeswehr verpachtet. In Warne-
münde werden heute die Schiffe der Bundesmarine, die in Rostock stationiert sind,
gewartet.
Letztes Beispiel: Die MV Werften Wismar. Seit 2022 insolvent, wurden sie an
ThyssenKrupp Marine Systems verkauft.
Damit kommen wir zur aktuellen Situation der Meyer Werft (da noch Bewegung
in dieser Geschichte ist, muss hinzugefügt werden, dass diese Zeilen am 28. August ge-
schrieben wurden). Nach dem erzwungenen Stillstand während der Coronazeit lief in
Papenburg der Bau von Kreuzfahrtschiffen wieder an. Die Auftragsbücher sind mitt-
lerweile wieder gut gefüllt. Trotzdem steht das Unternehmen, nicht zuletzt aufgrund
betriebswirtschaftlicher Fehler, kurz vor der Insolvenz.
Der von Bundeskanzler Olaf Scholz am 22. August in Aussicht gestellte Einstieg
des Bundes bei der Meyer Werft ist eine Aktion, die wohl mehr dem Wahlkampf als
wirtschaftlicher und haushälterischer Vernunft geschuldet ist. Und das aus mehre-
ren Gründen: Erstens verstößt die Ampel damit gegen das Prinzip, dass eine Staats-
beteiligung nur dann erfolgen soll, wenn zugleich ein privater Investor mindestens
30 Prozent der benötigten Mittel einbringt. Das gilt als Test für die wirtschaftliche
Überlebensfähigkeit. Dieser Investor ist aber nicht in Sicht. Lediglich das Land Nie-
dersachsen will sich bislang an der Rettung beteiligen.
Zweitens widersprechen Kreuzfahrten dem Nachhaltigkeitsdenken, das die
Ampelkoalition als Maxime der Energiewende ausgerufen hat. Systemrelevant sind
Kreuzfahrten auch nicht. Drittens: Es gibt Zweifel, ob der Kreuzfahrtboom noch lang
anhalten wird. Das Bundesfinanzministerium sieht die Lage der Werften, die auf die-
ses spezielle Schiffsegment fokussiert sind, jedenfalls nicht allzu optimistisch. Viertens
wird viel zu wenig beachtet, dass Meyer unternehmerisch nicht wirklich klug gehandelt
hat. Wer mit Kosten kalkuliert, die über den Erlösen liegen und deshalb in Kürze fälli-
ge Notkredite für den Weiterbetrieb aufnehmen musste, darf sich über eine wirtschaft-
liche Schieflage und negative Zukunftsprognosen weder wundern noch beschweren.
Ein Argument für eine staatliche Intervention ist neben der Rettung der
Treffen Sie uns auf
Meyer-Arbeitsplätze der Erhalt von Maritim-Know-how in Deutschland. Insbeson- T r e f f en Sie uns auf
dere Letzteres ist für den logistischen und den militärischen Bereich nicht unwesent-
der EXPO REAL:
lich. Deshalb ist es nicht ganz einfach, die geplante Rettungstat der Ampelkoalition der EXP O REAL:
als vollständig verfehlt zu kritisieren. Ob es überhaupt dazu kommen wird, ist ohnehin
Halle C1,
Halle C1,
unklar. Das letzte Wort hat der Haushaltsausschuss des Bundestages – Ende offen.
Stand 112
Thomas Pool S t and 112
Chefredakteur
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