Page 7 - LogReal.Direkt_Ausgabe-2.2024
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Logistikimmobilien


           Wird jetzt alles wieder gut? Mitnichten, denn die Fixie-
           rung auf den Zinssatz ignoriert, dass die Welt sich geopoli-
           tisch, demografisch und psychologisch, in der Einstellung
           der Menschen zur Erwerbsarbeit, verändert hat. Das alles
           hat Einfluss auf die Immobilienmärkte, was aber kaum je-
           mand auf dem Radar hat. Probleme werden schlichtweg
           nicht angegangen.


           Paetzmann:
           Die Branche ist größtenteils makroökonomisch getrieben.
           Zinsen, Inflation und Liquidität bestimmen, ob gebaut
           wird. Was gebaut wird, richtet sich danach, welche Asset-
           klasse gerade en vogue ist. Eine echte Produktdiversifika-
           tion, wie im Rest der Wirtschaft, findet nicht statt.                                     Raimund Paetzmann

           Mich wundert es manchmal, dass man relativ schnell mal  ? Das klingt so, als würde sich der Flächenmangel eher noch
           eben 50 bis 200 Millionen Euro in ein Projekt investiert  verschärfen, auch ohne baldigen Aufschwung?
           und darauf hofft, dass diese Investition dann nach fünf bis
           sieben Jahren der Realisierung mindestens 33 Jahre Ertrag  Paetzmann:
           bringt. Kaum einer spricht im Vorfeld mit den Nutzern,  Ich denke, man kann sagen, dass das Zeitalter der Hyper-
           um zu hören, was diese wirklich umtreibt und was sie  globalisierung vorbei ist. Jeder redet über Re-/Near- oder
           brauchen.                                    Friendshoring, was fast in einer gewissen Sonderkonjunk-
                                                        tur Logistik mündet. Dazu kommen ganze neue Bedarfe,
           Was bedeuten beispielsweise die Lieferkettenrisiken oder  wie spezielle Lagerhallen für die Batterien der Elektroau-
           der demografische Wandel oder KI für die Immobilien-  tos oder die Sicherung des Pharmabedarfs. Der Flächen-
           welt der nächsten zwei Dekaden? Was kommt auf uns zu  mangel ist schon heute spürbar, mittel- und langfristig
           mit den veränderten Werten der Generation Z, wie entwi-  wird er ein großes Problem.
           ckelt sich das Büro langfristig? Auf all diese Entwicklun-
           gen gibt es kaum Antworten in der Immobilienbranche,  Auch der E-Commerce-Bereich wird wieder eine größere
           obwohl es keine anderen Produkte gibt, die, wie Immobi-  Rolle spielen. Nach dem Pandemie-Peak kam das große
           lien, so langfristig den wirtschaftlichen und gesellschaftli-  Abschmelzen der Lagerkapazitäten bei Amazon und Co
           chen Entwicklungen ausgesetzt sind.          und jeder denkt, das war es jetzt. Doch jeder, der genauer
                                                        hinsieht wird erkennen, dass die fundamentalen Wachs-
                                                        tumsaussichten im E-Commerce nach wie vor intakt sind,
           Logistik als Resilienzfaktor                 weil der Anteil am Handelsvolumen immer noch relativ
                                                        klein ist. Es sind sogar neue Player wie Temu und Shein
           Steinmüller:                                 aufgetaucht, die viele nicht auf dem Radar hatten, weil die
           Nehmen wir nur mal einen der Aspekte der sogenannten  beiden chinesischen Onlinehändler derzeit noch kaum
           Zeitenwende. Hier geht es um mehr als um Verteidigungs-  Assets in Europa haben und den europäischen Markt
           fähigkeit und die Bundeswehr, obwohl der Rüstungssek-  hauptsächlich mir Luftfracht bedienen. Etwa 50 belade-
           tor als einer der wichtigsten Transformationsbeschleuni-  ne Boing 777 kommen hier täglich an. Sehr Asset-light
           ger verstanden werden sollte. Mir geht es um Resilienz,  sind auch die chinesischen E-Auto-Produzenten, die gan-
           also um das, was die Bevölkerung widerstandsfähig macht  ze Schiffsladungen in den europäischen Häfen anliefern.
           gegen künftige Pandemien und mögliche kriegerische  Nennenswerte Assets haben die bisher hier nicht, werden
           Ereignisse. Ich nenne diesen Ansatz Warehouse4Defense  sie aber brauchen, denn lange werden sich die Häfen und
           und Warehouse4Pandemics. Dort werden üblicherweise  die EU als Regulierer nicht ansehen, dass die im Hafen ge-
           Dinge gelagert, die nicht nur der militärischen Verteidi-  parkt werden bis sie von dort fast direkt an die möglichen
           gung dienen, sondern vor allem Medikamente und große  Besteller geliefert werden.
           Mengen Nahrungsmittel. Dabei sollte es sich, wie damals
           im geteilten Berlin, um geheime Lagerstätten oder Bunker
           handeln.





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