Page 16 - LogReal.Direkt_Ausgabe-1.2023
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Intralogistik
bislang unentdeckten Reserven: Durch eine Analyse der
Trends in bestehenden Detailprozesse, Optimierung und Relaunch
einzelner Abwicklungsschritte lassen sich oftmals Produk-
tivitätsverbesserungen im zweistelligen Prozentbereich
ungewissen erzielen und verschaffen etwas Luft, die nächsten Schrit-
te der Implementierung von Automatisierung detailliert
planen zu können – hierbei gilt es insbesondere, die
Krisenzeiten Schnittstellen (treffender „Nahtstellen“) zu den periphe-
ren Lager- und Fördersystemen detailliert zu betrachten.
Weitere konterkarierende Umfeldbedingungen sind
fehlende Grundstücke – Greenfield-Projekte werden zu-
von Bernd Kratz nehmend seltener. Es wird sich der Trend verstärken, die
Lagerdichte in bestehenden Gebäuden deutlich zu erhö-
hen. Die Räumlichkeiten in Standard-Logistikimmobi-
Krisenbewältigung – das ist die neue Herausforderung in lien werden oftmals nicht optimal ausgenutzt: Platz ist
der Intralogistik. Die planbaren, langfristigen Entwick- in den 10 bis 12 Meter hohen Logistikimmobilien ohne
lungen gehören der Vergangenheit an. Die aktuellen und Zwischengeschosse oftmals noch genügend verfügbar –
zukünftigen Devisen heißen: schnell, kostengünstig und allerdings nicht horizontal, sondern vertikal in die Höhe.
gleichzeitig möglichst flexibel ohne hohe Standardisie- Vielfach bieten die Regaleinbauten noch einige Meter
rung. Platz bis zur Hallendecke, um eine Bühne zu tragen. In
In den letzten Jahrzehnten wurden Automatisie- diesem Sinne entwickelt sich der Trend bei automati-
rungstechnologien mit hohem Fokus auf Kostensenkun- sierten Systemen in Richtung deutlich kompakterer La-
gen implementiert – ein kurzer ROI bei langen Laufzeiten gerung. Aber auch in manuellen Kommissionier-Lagern
der Systeme. Diese Prämisse bekommt jetzt und zukünftig sind die einzelnen Lagerfächer tendenziell nur zu 50 Pro-
eine untergeordnete Gewichtung. Der sich seit länge- zent gefüllt – mit entsprechenden Systemen, Strategien
rem bereits abzeichnende Arbeitskräftemangel auch im und KI-basierten Lagersteuerungssystemen werden durch
gewerb lichen Bereich verlangt nach höherem Automati- kontinuierliche Verdichtungsprozesse Flächen vakant.
sierungsgrad, insbesondere um den bestehenden Stand- Gleichzeitig verbessert sich durch kompaktere Lagerung
ort auch mit weniger Beschäftigten betreiben zu können
– erst nachgelagert kommt die Forderung der Kosten-
senkung. Dieser Sinneswandel wird sich noch verstärken,
wenn die Jahrgänge der Babyboomer zunehmend, teil-
weise schon vor Erreichung des offiziellen Rentenalters,
in ihren Ruhestand gehen und dem Arbeitsmarkt nicht
mehr zur Verfügung stehen. Die politisch angestrebte
Kompensation durch ausländische Arbeitskräfte bringt
bislang quantitativ nicht den gewünschten Erfolg.
Produktivitätsverbesserungen im
zweistelligen Prozentbereich
Ein Resultat der Erfahrungen aus aktuellen Krisen (Liefer-
kettenabrisse, Produktionsstillstände, Unzuverlässigkeit
der Weltschifffahrt, etc.) ist eine zunehmende Entwick-
lung von der Globalisierung hin zur Regionalisierung.
Produktionsstätten in Deutschland und Europa werden
auf- oder weiter ausgebaut mit dem Bedarf weiterer Ar-
beitskräfte. Zeitgleich fordern Gewerkschaften höhere
Löhne, um der Inflationsentwicklung gegenzusteuern –
verstärkte Automatisierung und Robotik wird jetzt und in
der Zukunft unabdingbar werden.
Diese Entwicklung führt bei den Anbietern von
Intra logistik-Systemen tendenziell zu längeren Realisie-
rungszeiten. Viele Logistiker nutzen daher zunächst ihre Foto: istock.com/gremlin
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