Page 7 - LogReal.direkt_Ausgabe_4_2020
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Logistik






































          © Timo Platte – stock.adobe.com  Noch brennt ein wenig Licht, aber das Leben in den Innenstädten verödet zunehmend.










           Unabhängig von der operativen Nachschubplanung ist zu -   und potenziert sich in Richtung der vorgelagerten Liefer-
           dem die Frage nach der künftigen Wertschöpfungs quote   stufen. Die innerhalb der Wertschöpfungskette produ-
           zu stellen: Müssen zur Sicherstellung der  Versorgung   zierten Mengen entfernen sich damit immer mehr von
           ehemals outgesourcte Prozesse zurückgeholt werden?   der originären Nachfrage und führen zu steigenden Be-
           Wird  also  die  Vorteilhaftigkeit  einer  Make-or-buy-Ent-  standsmengen, für die es letztlich keine Abnehmer gibt.
           scheidung nicht mehr kostengetrieben sein, sondern   Obwohl dieser Zusammenhang altbekannt ist, ist ein
           von der Risikominimierung abhängen?  Was den Flä-  solches Entscheidungsverhalten menschlich und auch
           chenbedarf betrifft, so würde das eine Verschiebung der   zu erwarten. Sollte also der Bullwhip-Effekt signifikant
           produktionsnahen Logistikfläche bedeuten – weg von   durchschlagen, so würde das zu steigenden Beständen
           den (Modul-) Lieferanten respektive den Logistikdienst-  entlang von Lieferketten führen und dort, wo Lagerka-
           leistern mit Value-added-Services hin zu den Gütersen-  pazitäten erschöpft sind, Investitionen  in Standorte
           ken, hier: Produktions- und Montagewerke der OEM.   nach sich ziehen.
           Die Flächenverschiebung würde dann jedoch – über der
           Sache  schwebend  –  in  Summe  wohl  keinen  zusätzli-  Im Laufe der Pandemie haben wir als Endkunden – so-
           chen Flächenbedarf nach sich ziehen, es wäre volkswirt-  fern wir es nicht schon vorher wussten – einen individu-
           schaftlich ein Nullsummenspiel. Im Einzelfall jedoch   ellen, konkreten Nutzen davon erfahren, Waren online
           müssten Betriebe bei erschöpften Kapazitäten Investiti-  zu kaufen und sich diese liefern zu lassen. Das betrifft
           onen in bestehende oder neue Standorte tätigen.  Güter des täglichen Bedarfs ebenso wie Güter, die man
                                                        unter einem Erlebniskauf subsumieren kann, denkt man
           Peitschenknall der Lieferketten              insbesondere an Kleidung und Schuhe. Im ersten Fall,
           Unabhängig von der Bestellpolitik und der Fertigungs-  bei Gütern des täglichen Bedarfs, hier ist insbesondere
           tiefe ist jedoch zu erwarten, dass bei Erwartung künf-  an Lebensmittel zu denken, ist auch ohne Coronakrise
           tiger Engpässe und Rationierungen zur Sicherstellung   davon auszugehen, dass standardisierte und haptisch
           der Lieferfähigkeit Bestellmengen erhöht werden. Die-  nicht relevante Waren online-affin sind. Warum sollte
           ses  als Bullwhip-  oder  auch Forrester-Effekt  bekannte   ein Kunde Waschmittel, Konserven oder ein Nutella-Glas
           Phänomen findet auf allen Wertschöpfungsstufen statt   im Supermarkt anfassen und dann erst auswählen?


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