Page 27 - LogReal.direkt_Ausgabe_3_2019
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Logistik

                                                        DIE LAGE IST DEUTLICH BESSER ALS DIE STIMMUNG


                                                        Logistik-Indikator der BVL


                                                        im zweiten Quartal 2019



                                                        von Robert Blackburn, Vorstandsvorsitzender der BVL

                                                        Blicken wir zwei Jahre zurück: Im Mai 2017 hatte das Vereinigte König­
                                                        reich seinen Brexit­Antrag gestellt, die Austrittsverhandlungen waren
                                                        aber noch nicht angelaufen. Inzwischen hat das immer weitere Ver­
                                                        schieben des Brexit wirtschaftliche Schäden verursacht – und ob und
                                                        wann ein weicher Brexit tatsächlich kommt, weiß niemand so genau:
                                                        auch der anvisierte Oktober ist aus Expertensicht zweifelhaft.


                                                        In den USA war Donald Trump im Januar 2017 ins Amt gekommen und
                                                        gab der Welt erste Signale für Stil und Themen seiner Präsidentschaft.
                                                        Europa blieb gelassen, denn die Konjunktur brummte. Aber seit 2018
                                                        blicken Produktions­ und Logistikverantwortliche aus Industrie, Han­
                                                        del und Dienstleistung wegen rückläufiger Exportaufträge mit Skepsis
           die  die  Männerdomäne  um  Empathie,  positives  Kom­  in die Zukunft. Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu
           munikationsverhalten und große Offenheit samt Lern­  den USA, einem zentral wichtigen Exportmarkt, sind in einem unbere­
           bereitschaft bereichern. Denn eins haben die Meinungs­  chenbaren Wandel begriffen. Die EU sucht nach der Wahl nach neuem
           geber in den Kommentaren zum Stimmungsbild klar   Gleichgewicht und langfristiger Stabilität.
           geäußert: Die Qualifikationen der Frauen in der Logistik
           sind gleichwertig mit denen der männlichen Kollegen.   Und aktuell: In Deutschland ist ein BIP­Wachstum von 0,8 Prozent in
           Der Einstieg in die Logistik fiel den Frauen fachlich nicht   2019 zu erwarten und von 1 Prozent in 2020 – bestätigen führende
           schwerer als männlichen Absolventen. Alle berichten   Forschungsinstitute per Gemeinschaftsprognose und unter der  Vo­
           von einem guten Start in das Arbeitsleben.   raussetzung, dass der Handelsstreit nicht weiter eskaliert. Solche
                                                        Unsicherheiten schlagen sich in den Umfrageergebnissen nieder. Ge­
           Schwer ist offenbar der Weg in die Logistik. Den Berufs­  genüber dem ersten Quartal hat sich in Q2 Die Einschätzung der Lage
           wunsch „Logistikerin“ scheint es kaum einmal zu geben.   leicht verschlechtert, die Erwartungen sind eine Spur optimistischer.
           Kein Wunder, denn es fehlt an Vorbildern für weibliche   Dabei ist die Lage deutlich besser als die Stimmung. Immer noch sind
           Karrierewege. Die Sichtbarkeit von Frauen, die erfolg­  die  Auftragsbücher  ordentlich  gefüllt  und  die  Unternehmen  klagen,
           reich in der Logistik tätig sind, würde andere dazu an­  dass sie kein Personal finden. Es sind 792.000 offene Stellen gemeldet
           spornen, sich ebenso in die Branche zu orientieren, frei   – nur 1.000 weniger als vor einem Jahr. Es gibt also keinen Einbruch
           nach dem Motto „If she can see it, she can be it“. Logis­  am Arbeitsmarkt. Durch zehn Jahre Wachstum und Boom hat sich die
           tikunternehmen versuchen bereits, sich auf einen Wan­  Perspektive verschoben. Wir sollten uns dadurch nicht den Blick auf die
           del der Arbeitswelt einzustellen und ihre Geschäftsmo­  Chancen des Jahres 2019 verbauen.
           delle mit den Wünschen der Arbeitnehmer – nicht nur
           der Frauen! – nach flexiblen Arbeitszeiten, (Lebens­)
           Arbeitszeitkonten, ergonomischen Arbeitsplätzen und
           individueller  Teilzeit zu vereinbaren. Unternehmen
           können mehr für eine vielfältige Belegschaft und eine
           höhere Attraktivität als Arbeitgeber tun. Gerade das
           Umdenken in der zumeist männlichen Belegschaft ist
           eine  Aufgabe  für die  Unternehmenskultur.  Denn:  Die
           Beschäftigung  von qualifizierten  Frauen  ist kein  Prob­
           lem, sondern eine Chance.
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